Im Laufe der letzten Jahre hat sich die Routinezahnbehandlung bei Pferden durchgesetzt. Galt es früher als exotisch, ist heute der jährliche „Zahnarzttermin“ für das Pferd selbstverständlich geworden. Durch diese regelmäßigen Untersuchungen und Behandlungen können viele ernsthafte Zahnerkrankungen frühzeitig und oft mit weniger Aufwand behandelt werden.
Doch werden trotzdem mittelalte bis alte Pferde vorstellig, die trotz regelmäßiger Raspelbehandlung schlecht kauen können. Bei der Maulhöhlenuntersuchung mit Kopflampe und Maulgatter ist die Ursache häufig nicht zu finden. Schaut man so in das Maul, sind nur die vordersten Backenzähne sowie die Flucht der Zahnreihe sichtbar, der Rest ist nur mittels abtasten zu beurteilen. Mit Hilfe eines speziellen Maulhöhlenendoskops können die Backenzähne gründlich untersucht werden. Ebenfalls mit einem Maulgatter versehen, ermöglicht uns die Endoskopie, jeden Zahn und dessen Zahnhals von allen Seiten zu beurteilen.
Und nun können wir sie auch sehen: tiefe Zahnfleischtaschen mit Futtereinklemmungen. Säubert man diese Region, wird eine Zahnlücke, ein Diastema, sichtbar. Beim Pferd sind Zahnlücken zwischen den Backenzähnen immer als krankhaft anzusehen. Im Normalfall sind die 6 Backenzähne einer Seite im Ober- oder Unterkiefer eng aneinander stehend. Die Backenzähne bilden so gemeinsam eine Kaueinheit, ähnlich eines Mühlsteins kann das Pferd so die harten Pflanzenfasern mit höchstem Kaudruck zermahlen. Sind Lücken zwischen den Backenzähnen vorhanden, wird Futter in die Lücke gepresst. Es kommt zu Entzündungen, Zahnfleischrückgang, Bildung von Zahnfleischtaschen und letztendlich zur Lockerung und Verlust der beteiligten Zähne. Diastemen und Zahnfleischtaschen stellen einen sehr schmerzhaften Prozess dar. Betroffene Pferde zeigen in der Regel deutliche Symptome: Wickelkauen, Abmagerung oder völliges Verweigern der Nahrungsaufnahme kommen vor. Aber auch weniger eindeutige Verhaltensweisen können ein Hinweis auf diese Zahnerkrankung sein: Kopfschiefhaltung beim Fressen, kauen nur auf einer Seite, Leerkauen, häufiges trinken während der Futteraufnahme.
Die Behandlung der Diastemen ist ein schwieriges Feld. Dieser Erkrankungskomplex ist noch nicht sehr lange bekannt, erst mit Entwicklung der Maulhöhlenendoskopie ist dieses Problem deutlich geworden. So gibt es zur Zeit keine Langzeitstudien über mögliche Behandlungsweisen. Eine einfache Reinigung zeigt nur sehr kurzzeitigen Erfolg, denn unsere Pferde können nach der Mahlzeit keine Zahnseide anwenden.
Sehr alte Pferde zeigen häufig Diastemen. Allerdings sind diese Lücken häufig so weit, dass eingespießtes Futter von allein wieder herausfällt. Lockere Zähne sollten entfernt werden, da sie im Kauvorgang hinderlich sind. Ist die Kaufläche aus Altersgründen schon glatt (sog. smooth mouth), kann kein hartes und stengeliges Rauhfutter mehr zermahlen werden. Solche Oldies sind mit Gras gut zu ernähren. Wenn möglich, sollten sie bis weit in den Herbst hinein Zugang zu Koppeln haben. Ist die Weidezeit vorbei, steht die Ernährung mit Schlappfutter auf dem Programm. Eingeweichte Heucobs, evtl. auch Rübenschnitzel stellen für diese Pferde die Rohfaserquelle dar. Aber auch jüngere Pferde können an Diastemen leiden. Sind die am Diastema beteiligten Zähne fest, wird der erkrankte Bereich gereinigt und die Zahnlücke mit einem Spezialbohrer aufgebohrt. Nach erneuter Reinigung mit einer speziellen Zahneinheit für Pferde wird das Diastema mit einer Kunststoff-Füllung verschlossen. Dieses Verfahren ist in der Regel in einer Standnarkose durchführbar. Die Pferde zeigen eine sofortige Besserung der Symptome da die schmerzhafte Futtereinklemmung nun nicht mehr stattfinden kann.
Dr. Claudia Stroth, Pferdeklinik Tappendorf, www.pferdeklinik-tappendorf.de
35. Ausgabe Februar/März 2011