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Rasseportrait Shire Horse Masse mit Klasse

Die englischen Kaltblüter gelten mit einer Durchschnittsgröße von 1,78 m Stockmaß als größte Pferderasse der Welt. Es gibt sie bei weitem nicht nur als 2 m Riesen, obwohl solche Ausnahmeexemplare – meist Wallache – natürlich eher auf Shows und Veranstaltungen zu sehen sind als ein durchschnittlich großes Pferd. Das Shire Horse ist sehr vielseitig einsetzbar und damit für viele der ideale Freizeitpartner.

 

Herkunft und Geschichte des Shire Horse

 

Wilhelm der Eroberer brachte im Jahr 1066 Great Horses mit nach Britannien. Gute Hengste von etwa 150 cm Schulterhöhe, eher wie kleine Percherons als Shires, wurden in einem langsamen, alles niederwalzenden Trab gegen den Feind geritten. Die weniger guten Vertreter und die Stuten dienten als Arbeitspferde. Im Jahr 1760 tauchte das „Blinde Pferd von Packington“ auf, ein Schwarzer, der zu einem der Urväter des Shire Horse wurde. In diesem Jahr beginnt die belegte Geschichte des Shire Horse. 

Shire Horses in Deutschland

In Deutschland erschienen Shire Horses 1910 das erste Mal: auf der Hamburger DLG-Ausstellung wurden 6 der schwergewichtigen Engländer ausgestellt. Das Pferd war den hiesigen Züchtern und Landwirten aber zu groß und verlangte zu viel Futter, sodass ihm damals der Durchbruch nicht gelang. Erst 1983 erwachte erneut das Interesse an den Riesen von der Insel, und von da an waren sie nicht mehr zu stoppen. Im Dezember 1989 gründeten 26 deutsche und englische Freunde und Besitzer von Shire Horses in Frankfurt den Deutschen Shire Horse Verein e.V., den bis heute einzigen in Deutschland von der englischen Muttergesellschaft anerkannten Zuchtverband. 

Rassestandard

Man erwartet von einem guten Shire-Hengst einen männlichen Kopf, eine gute Halslinie und eine schräge, nicht zu steile Schulter, die harmonisch in die Rückenlinie übergeht.  Diese soll kurz sein mit einem gleichmäßigen Übergang in die Lendenpartie. Der Schweif wird hoch angesetzt und die Rippenbögen werden gut gewölbt gewünscht. Ein Deckhengst muss gute Hufe und gute, klare Gelenke haben. Bevorzugt wird das Pferd mit klaren Beinen und feinem, glattem, seidigem Kötenbehang auf der Rückseite der Röhren. In der Bewegung soll er mit einem korrekten gradlinigen Bewegungsablauf Aktion zeigen. Ein guter Shire-Hengst hat einen starken Charakter. Von einer guten Shire-Stute werden eine weibliche, mütterliche Ausstrahlung und eine genügende Rumpftiefe erwartet. Ein Wallach soll hochaufgerichtet gehen und kalibrig, gut proportioniert, sehr aktiv und bewegungsfreudig sein. Er soll mutig sein, wie ein Arbeitspferd aussehen und einen vollen Arbeitstag bewältigen können. 

Farbe: Braun, Rappe oder Schimmel mit auffälligen Abzeichen an Beinen und Kopf. Nicht zulässig bei Hengsten: Farbschimmel/starke Stichelhaarigkeit (roan) oder Fuchs; der Körper sollte keine großen weißen Flecke aufweisen. Bei Stuten und Wallachen wird auch die Farbe roan akzeptiert.

Größe: Mindeststockmaß für Hengste und Wallache 16.2 hands (168 cm), für Stuten 16 hands (163 cm). Durchschnitt der Rasse 178 cm. 

Kopf: Langer und schlanker Ramskopf, zum Körper passend 

Schulter: Tief und schräg, breit genug als Auflage für ein Kummet. 

Hals: Lang, leicht gebogen und gut aufgesetzt. 

Brust: Brustumfang zwischen 180 und 240 cm. 

Rücken: Kurz, stark und gut bemuskelt; darf bei Stuten länger sein als beim Hengst. 

Vorhand: Breite Brust, Beine gut unter den Körper gesetzt und gut bemuskelt. Klare Gelenke. 

Hinterhand: Lang und geschwungen, breit und gut bemuskelt, klar und harmonisch in die Oberschenkel übergehend. Hoch angesetzter Schweif. Keine schwammigen Gelenke und keine Sichelbeine. 

Röhre: Röhrbeinumfang beim Hengst 28 cm, gelegentlich bis 32 cm, bei Stuten und Wallachen 23 bis 28 cm, mit klar gezeichneten Sehnen. 

Gewicht: ausgewachsen zwischen 865 und 1.200 kg. 

Ein vielseitiger Partner für die Freizeit

Das Shire Horse, das wegen seines sanftmütigen Charakters in seiner Heimat auch als „gentle giant“ = sanfter Riese bezeichnet wird, hat hierzulande eine große Fangemeinde gefunden. Mit seiner für ein Kaltblut – bedingt durch seine langen Beine – sehr eleganten und meist schwungvollen Bewegung erfreut es sich als Freizeitpferd vor dem Wagen und vor allem auch unter dem Sattel wachsender Beliebtheit. Sogar die Engländer, die die deutschen Shire Horse-Reiter anfangs nur milde belächelten, sind inzwischen auf den Geschmack gekommen. Nicht zuletzt seine Gelassenheit und Nervenstärke macht es zum idealen Geländepferd. Ein Shire bleibt lieber erst einmal stehen, um die unheimlichen Dinge in Ruhe in Augenschein zu nehmen, als gleich kopflos davon zu stürmen. Und wenn es sich dann doch einmal aufregt, ist es meist sehr schnell wieder beruhigt. Aber nicht nur Ausritte, auch gymnastizierende Übungen in der Bahn bis hin zu dressurmäßiger Arbeit und sogar Zirkuslektionen gehören zum möglichen Repertoire dieser intelligenten und lernwilligen Rasse. Dem Shire Horse mangelt es nicht an Temperament. Es ist bei korrekter Ausbildung und entsprechendem Training erstaunlich rittig und fleißig. Allerdings darf man nicht unerwähnt lassen, dass viele Vertreter dieser Rasse den Galopp nicht unbedingt als Grundgangart betrachten.  Shire Horses sind Spätentwickler, auch wenn sie nicht so aussehen. Vor allem den Pferden, die in den ersten Lebensjahren schon um 1,80 m Stockmaß erreichen, sollte man die Zeit gönnen, sich zu entwickeln bevor das „Arbeitsleben“ beginnt. Sie sollten nicht vor dem vierten Lebensjahr regelmäßig als Fahrpferd eingesetzt werden. Geritten werden sollten sie nach Möglichkeit nicht vor dem fünften Lebensjahr.

Größe XXL: Nicht immer unproblematisch

Trotz ihrer Gemütsruhe kann man Shire Horses nicht unbedingt als „Anfängerpferde“ bezeichnen. Wo finde ich eine Box, die groß genug ist? Welcher Schmied kann das Pferd beschlagen? Wo bekomme ich Zubehör wie Halfter, Trense, Gebiss in XXL? Und dann noch die Kosten für die gewichtsbedingt doppelte Portion Wurmkur? Nun, Shires brauchen nicht unbedingt eine Box. Sie leben auch gern rund ums Jahr im Offenstall. Muss es denn aber doch eine Box sein, sollte sie idealerweise eine Größe von mindestens 4 x 4 m – auf jeden Fall für die größeren Exemplare – haben. Zubehör gibt es inzwischen auch im guten Reitsportfachgeschäft in Kaltblutgröße. Ein Sattel, egal ob Western oder klassisch, passt dagegen oft auch in Standardgröße. Die Sache mit dem Schmied kann dann aber wirklich zum Problem werden. Hufdurchmesser von 20 cm und mehr sind keine Seltenheit. Da passt manchmal nicht mal mehr das größte Eisen von der Stange, geschweige denn das Eisen in den Schmiedeofen. 

Nicht zu vergessen ist der erhöhte Pflegeaufwand. Wo andere Pferde Langhaar nur an Schweif und Mähne haben, zieren die Fesseln der Shire Horses noch ihre wunderschönen Kötenbehänge, auch Federn (von der englischen Bezeichnung „feathers“) genannt. Die müssen zwar nicht täglich gewaschen werden, im Gegenteil, zu viel des Guten kann hier eher schaden, aber täglich ausbürsten sollte man sie schon. Auch um zu kontrollieren, ob die Haut im Bereich der Fesseln in Ordnung ist. Manche Shires neigen leider im Bereich der Behänge zu nässenden, entzündlichen Stellen, was gemeinhin als Mauke bezeichnet wird aber nur in den seltensten Fällen echte Mauke ist. Die Ursachen sind hier vielfältig und reichen von Ungezieferbefall (z.B. Milben) über mangelhafte oder auch übertriebene Pflege bis hin zu falscher Fütterung. Gegen Milben und allgemein zur Haut- und Fellpflege hat sich Weißöl (Paraffinum liquidum aus der Apotheke) mit Zusatz von etwas Schwefelblüte (auch aus der Apotheke) bewährt.

Besonderheiten bei der Fütterung

Shire Horses sind sehr leichtfuttrig. Traditionell werden sie in ihrer Heimat mit „Chaff“ gefüttert. Das ist nichts weiter als Stroh- bzw. Heuhäksel und wird meist melassiert angeboten. Energiereich aber eiweißreduziert heißt das Erfolgsrezept. Shires brauchen jede Menge Raufutter, ca. 1 kg pro 100 kg Körpergewicht und bevorzugt Heu statt Silage. Zusammenhänge zwischen zu eiweißreicher Fütterung (Hafer, Silage) und Hautproblemen werden vermutet.

Informationen zum Kauf

Und trotz allem: „Einmal Shire, immer Shire“ hört man von vielen Besitzern.Die großen, eleganten Dicken mit ihrem menschenbezogenen Wesen lassen einen nur schwer wieder los. Wo Shires Horses auftauchen, erregen sie Aufsehen. Große Augen, staunende „aahs“ und „oohs“ und Fragen über Fragen sind dann an der Tagesordnung. Das verlangt einem schon etwas Geduld ab, aber letztendlich ist man doch stolz auf sein Pferd.

 

Wer ein Shire Horse kaufen möchte, kann dies inzwischen fast überall tun. Jungpferde werden auch schon aus einer sich stetig verbessernden deutschen Zucht angeboten. Die größte Auswahl hat man aber nach wie vor in England. Dort kann man am besten seinen Blick schulen und Qualität zu einem vernünftigen Preis auswählen. Der Export nach Deutschland ist relativ unkompliziert. Viele Transporteure erledigen den ganzen Papierkrieg, und man braucht sein neues Familienmitglied dann nur noch zu Hause in Empfang zu nehmen. 

 

Verena Griener

 

Veröffentlicht im horseWOman Magazin im Jahr 2009